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Staatsdiener

Ansichten zu einem Stammtischthema

Letzte Änderung 2004-11-26 – Hans-Georg Michna


In der Hoffnung, daß meine Ansichten kontrovers genug sind, um vielleicht Diskussionen zu provozieren, die dann vielleicht zu etwas mehr Klarsicht führen, werde ich sie hier zum besten geben. Vieles ist beileibe nicht originär, sondern schon von vielen Autoren klar erkannt und dargelegt (Adam Smith, Cecil Parkinson u.v.a.m.). Ich beginne mit dem Thema Staat.

Der Staat, seine Regierung und sein Verwaltungsapparat (im folgenden: Staatsapparat oder kurz: Staat, worin ich auch die den Verwaltungsapparat der Europäischen Union einbeziehe) hat zwei Aspekte, von denen der zweite fast immer übersehen wird. Der erste ist seine Funktion zum Nutzen des Gemeinwesens. Dies ist seine Daseinsberechtigung, und für diese wird die Regierung gewählt. Abgesehen davon, daß der Staat diese Funktion immer nur sehr ineffizient erfüllt (40%, verglichen mit der freien Wirtschaft, sagt eine Studie), soll sie uns hier nicht weiter interessieren.

Der Staatsapparat hat noch eine zweite Funktion und ein zweites Ziel, nämlich sich selbst zu dienen. Hinter dem vorgeschobenen ersten Daseinszweck verbirgt sich ein enormes Interesse, aus seiner kontrollierenden Situation Profit zu schlagen, und das nicht zu knapp. In der Tat macht diese zweite Funktion oft die erste wieder gänzlich zunichte, so daß wir besser daran wären, dem Staat bestimmte Funktionen wieder ganz zu entreißen. Beispiel: das Schulwesen, und das, obwohl wir gerade in Deutschland schon einmal die Situation hatten, daß praktisch jeder auch ohne staatliche "Hilfe" zur Schule ging, in Preußen nämlich. Wir schaffen es aber nicht, weil (a) viele einfältige Staatsbürger und Wähler das Problem nicht erkennen und weil (b) der Staat natürlich alles tut, damit alles so bleibt, wie es ist.

In gewisser Weise verhält sich der Staatsapparat wie ein lebendes Wesen, das sich den Bedingungen seiner Umwelt anpaßt, zu seinen eigenen Gunsten. Alle Teile des Staats unterliegen ständiger Evolution, und das Ergebnis ist nicht immer das vom Staatsbürger und Wähler gewünschte, sondern eher ein unförmiges Monster, das sich allen Versuchen, es zu zügeln, mit all seinem Sinnen und Trachten widersetzt.

Betrachten wir einmal ein ganz kleines Beispiel aus der Lebensrolle eines Staatsdieners, nämlich eines Beamten, der für die Aufstellung von Verkehrsschildern verantwortlich ist. Zwei konträre Strategien bieten sich ihm an:

  1. Er kann versuchen, eine für den Verkehrsfluß optimale Dichte von Verkehrszeichen zu erreichen. Da er auch die Kosten einbeziehen sollte, liegt die für das Gemeinwesen optimale Gesamtzahl an Verkehrszeichen unter dem rein verkehrstechnischen Optimum.
  2. Er kann seine eigene Situation, seine berufliche Bedeutung, Macht, Zahl der Untergebenen, Sicherheit seines Arbeitsplatzes und insbesondere die Höhe seines Gehalts in das Kalkül einbeziehen.

Im Fall 2. wird er ein Interesse daran haben, seine Funktion möglichst aufzublähen. Er wird versuchen, benachbarte Funktionen an sich zu reißen, neue Funktionen zu erfinden, und er wird insbesondere versuchen, viele Verkehrszeichen aufzustellen, so viel wie nur irgend möglich. Er wird das tun, bis die ersten Gegenkräfte auftauchen, z.B. in Form von kritischen Zeitungsartikeln und bis hin zu Veränderungen der deutschen Sprache. (Das neudeutsche Wort "Schilderwald" entsteht.) Jeder kann sich sehr leicht davon überzeugen, welche der beiden Strategien tatsächlich angewandt wird.

Solche Beispiele gibt es viele, denn dies ist das typische Verhalten des Staats. Unter dem Vorwand des Bürgerschutzes werden alle möglichen Vorgänge reguliert, ohne die strangulierende Wirkung auf die Wirtschaft zu berücksichtigen. Z.B. das CE-Kennzeichen, das seit seiner Erfindung auf fast allen technischen Produkten vorgeschrieben ist, erfordert z.B. bei elektronischen Geräten sehr teure Messungen. Für einen Großbetrieb fällt das vielleicht nicht so ins Gewicht, aber mit diesem neuen Staatsakt werden mit einem Streich alle Kleinserien fast aller elektrischen und elektronischen Produkte unmöglich. Ich selbst kann z.B. seitdem keine Computer mehr herstellen und verkaufen.

Das Schema, nach dem der Staat vorgeht, ist immer dasselbe. Er versucht, eine Funktion zu erfüllen, die von der Masse der Staatsbürger als wünschenswert angesehen wird. Er erfüllt sie dann auf eine Weise, die (a) der Masse der Bürger als halbwegs sinnvoll erscheint, auch wenn sie das bei genauer, wissenschaftlicher Betrachtung überhaupt nicht ist, und (b) seine eigene Funktion maximiert, koste es, was es wolle. Ein gutes Beispiel hierfür sind die letzten staatlichen Regulationen zum Thema Recycling ("grüner Punkt" etc.). Das Bestreben des Normalbürgers ist, den Müll auf anständige Weise loszuwerden, möglichst ohne eigenes Zutun, und bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Einkaufen, vorgesäuselt zu bekommen, daß er ein großartiger Mensch ist, der dem Rest der Welt vormacht, wie man keinen Müll mehr erzeugt. Die Wahrheit ist sehr ernüchternd. Abgesehen davon, daß der sogenannte Müllberg eines unserer kleinsten Probleme ist (verschärft nur dadurch, daß niemand eine Deponie in seiner Nähe haben will, sondern immer irgendwo weit weg, bei den anderen), sind die staatlichen Regulationen, die wir jetzt haben, letztendlich so teuer und wirtschaftlich unsinnig, daß wir am besten täten, sie sofort ersatzlos zu streichen.

Um diese massiven Auswüchse an allen staatlichen Stellen zu finanzieren, erhebt der Staat immer höhere Steuern. Im Rahmen des allgemein wachsenden Wohlstands und Reichtums gelingt ihm das auch bis zu einem schier unglaublichen Grad, so daß er schließlich in einem Industrieland ein Drittel bis die Hälfte der wirtschaftlichen Gesamtleistung verschluckt. Der größte Teil dieser Einnahmen wird dann verschleudert, und zwar auf einige Arten und Weisen, die jedem orthodoxen Wirtschaftswissenschaftler die Tränen in die Augen treiben. Das Thema Subventionen ist das wahrscheinlich dramatischste Beispiel, am allerschlimmsten exemplifiziert in der Common Agricultural Policy (CAP) der EU, aber auch in anderen Beispielen wie dem Kohlepfennig und ähnlichen Subventionen mit dem erklärten Zweck, die qualitative Entwicklung der Wirtschaft aufzuhalten, wobei sie aber zwangsläufig auch möglichst ineffizient gehalten wird.

Um die Steuereinnahmen zu maximieren, bedient sich der Staat einer ganz einfachen Taktik—er nimmt, wo er kann. Er nimmt möglichst viele verschiedene Steuern, um die einzelne möglichst wenig auffällig zu machen, immer gerade so viel, daß der Protest der Betroffenen gerade noch auszuhalten ist.

Wenn Geld vom Bürger nicht mehr zu holen ist, dann versucht er, einen Teil der Steuern direkt von den Wirtschaftsunternehmen zu kassieren, obwohl dies unter dem Strich nicht billiger oder sonstwie günstiger ist. Wenn die direkte Besteuerung der Unternehmen ihre Grenzen erreicht, dann wird noch eine Steuer im Niemandsland zwischen Käufer und Verkäufer eingerichtet—die Mehrwertsteuer—mit dem Gedanken, daß sich hier weder der Verkäufer betroffen fühlt (er reicht die Besteuerung an den Käufer weiter), noch der Käufer (gegenüber ihm wird sie, so gut es geht, unscheinbar gemacht). Wenn auch das seine Grenzen erreicht, dann greift der Staat zu Naturalien. Eine der massivsten verdeckten Steuern, und nicht die einzige, ist die Wehrpflicht, deren wirtschaftliche Konsequenzen kaum richtig meßbar sind.

Als allerletztes Mittel versucht er dann noch zu subventionieren, ohne das Geld überhaupt selbst eintreiben zu müssen. Das Paradebeispiel hierfür ist wieder die CAP (die Common Agricultural Policy der EU), die zu großen Teilen dadurch finanziert wird, daß einfach die Preise erhöht werden. Dies ist der Grund, warum unsere Lebensmittelpreise (und die vieler anderer Industrieländer—die USA fahren auf ähnlichen Gleisen) fast doppelt so hoch sind wie der Weltmarktpreis.

Diese verdeckten Subventionen fließen übrigens zum größten Teil wohlhabenden Großbauern zu. Würde der Staat auf ehrliche Weise eine explizite Bauernsteuer erheben und die Einnahmen direkt an die Bauern auszahlen, dann gäbe es natürlich sofort Widerstände aus der gesamten Restbevölkerung, weil niemand so etwas einsehen würde. Aber hier ist dem Staatsapparat die Verschleierungspolitik so gut gelungen, daß es fast niemand weiß. Die Gesamtkosten der CAP inklusive verdeckter Kosten werden von unabhängigen Wirtschaftswissenschaftlern auf €300 Milliarden pro Jahr geschätzt.

Um die tatsächliche Rolle der Steuern weiter zu verschleiern und die Steuern bis zur äußersten Grenze zu maximieren, werden die Steuergesetze so kompliziert gemacht, daß so gut wie kein Bürger sie mehr beherrscht, obwohl dadurch zu allem Überfluß eine ganze Bevölkerungsschicht—die Steuerberater—dem eigentlichen Schaffen nützlicher Werte in der Wirtschaft entzogen wird. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm, denn Steuerberater sind üblicherweise intelligente Menschen mit hoher Leistungsfähigkeit und hohem Potential zu echter Wertschöpfung. Dieser Schaden ist auch kaum noch meßbar. Wir alle werden dadurch ärmer.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß besonders in Deutschland und Europa in den letzten Jahren und Jahrzehnten ein gigantisches Experiment durchgeführt wird, in dem ausprobiert wird, wieviel Staat die Wirtschaft aushält. Das Ergebnis ist eine ständig anwachsende Massenarbeitslosigkeit und gedrosseltes Wachstum, Nullwachstum oder sogar Rezession.

Um die wahren Ursachen zu verschleiern, die aber jedem guten Wirtschaftswissenschaftler vollkommen klar sind, bedient sich der Staat einer umfassenden Verschleierungstaktik, die teilweise deshalb funktioniert, weil die Massenmedien mitspielen. Sie tun das teilweise nur deshalb, weil die Verschleierung durch die Politiker nicht ganz einfach zu durchschauen ist. Das System des Staates dient ja vordergründig den Bürgern, und seine perfektionierte Fassade ist nicht leicht zu durchschauen. Alle bürgerbezogenen Aktionen des Staates werden von den Politikern immer wortreich und einleuchtend begründet. Sie bedienen sich dabei einer nur leicht abgewandelten Sprache, die aber die Zusammenhänge stark vereinfacht und so formuliert, dass der Normalbürger keinen Verdacht schöpft. Die Medien übernehmen diese Begründungen. Nur selten kommt ein Wirtschaftswissenschaftler zu Wort, der die Wahrheit sagt, und diese unterscheidet sich so stark von den Aussagen der Politiker, dass der Zuhörer keine konkreten Schlussfolgerungen daraus ziehen kann. Außerdem stimmen die beiden Hauptparteien in diesem Punkt fast völlig überein, so dass ein anderes Wahlverhalten die Situation überhaupt nicht ändern würde.

Wenn ich bedenke, um wieviel es uns allen wirtschaftlich besser gehen könnte, wenn wir dieses Gesamtproblem in den Griff bekommen könnten, dann wird mir schwindlig.

(Der Nachdruck dieses Artikels ist allgemein gestattet, wenn der Text vollständig und unverändert bleibt.)


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